H - HARARI
Bereicherung
In "Homo Deus" setzt Harari seine "Kurze Geschichte der Menschheit" fort und bietet Möglichkeiten (keine Prophezeiungen, wie er mehrmals betont) für die Zukunft der Tierart Homo Sapiens an. Dabei
wiederholt er in den ersten beiden Dritteln seine Thesen zur Entwicklung der Menschheit, die er schon in der "Kurzen Geschichte" dargelegt hat, was aber nicht unbedingt langweilig ist, da sie
nicht nur sehr interessant sind, sondern auch variiert und vertiefend angeboten werden.
Harari stellt nachvollziehbar dar, dass die drei großen Menschheitsprobleme Krieg, Gesundheit und Ernährung weitgehend gelöst sind, auch wenn die Weltnachrichten derzeit noch davon abweichende
Schlagzeilen verbreiten. Daher lauten die Großprojekte der Menschheit in der Zukunft die Unsterblichkeit und die Entkopplung der Intelligenz vom Bewusstsein. Was das allerdings für den Homo
Sapiens bedeuten kann, wenn er "Wesen" erschafft, die ihm in Bezug auf Intelligenz weit überlegen sind, möge man eventuell auch daran erahnen, wie die Menschheit mit unterlegenen Tierarten
umgegangen ist und weiterhin umgeht. So führt Harari durch die Möglichkeiten der Zukunft, ohne diese zu verherrlichen oder sonstwie zu bewerten; dass alles auch, z.B. durch den Klimawandel
bedingt ganz anders laufen kann, wird bei den Ausführungen nicht vergessen.
Eine interessante Lektüre, die zum Nachdenken anregt und gleichzeitig eine Standortbestimmung der Gattung Homo Sapiens ist. Vielleicht mag der eine oder andere Wissenschaftler in seinem
Sachgebiet Unschärfen erkennen: für einen Laien wie mich war das Buch eine absolute Bereicherung.
Ein Meisterwerk der Wissensvermittlung
Wer erinnert sich nicht an dröge, langweilige Unterrichtsstunden im Geschichteunterricht? Jahreszahlen, seltsame Namen, vor allem kein Zusammenhang mit dem eigenen Leben, der eigenen Gegenwart.
Dabei ist das Vergangene doch der Schlüssel zum Jetzt, zum eigenen Sein! Harari gelingt es, dies zu vermitteln, Zusammenhänge herzustellen, Verbindungen zu erklären, Staunen zu erwecken und den
Wunsch nach mehr davon.
Auf diese Weise liest sich das Buch spannender als ein Krimi, stellt den Menschen als die räuberischste aller Tierarten dar, macht Schluß mit romantisierenden Vorstellungen von der
Naturverbundenheit des frühen Homo Sapiens, der etwa lange, bevor er noch Schrift erfunden hatte, auf ganzen Kontinenten unzählige Tierarten ausrottete, oder wie er, als er sich der
Landwirtschaft und Sesshaftigkeit verschrieb, die Lebenssituation vieler seiner Artgenossen gegenüber dem Nomadentum verschlechterte. Auf diese Weise zerstört Harari schonungslos das Bild vom
Menschen als der Krone der Schöpfung und spannt mühelos einen Bogen vom Menschen der Urzeit zu dem in seiner Erscheinungsform in der Gegenwart, erläutert dabei nebenbei Religionen und
Wirtschaftssysteme, deren Funktionen und Auswirkungen.
Einfach phantastisch! Lehrer, nehmen Sie euren Schülern die bisherigen Lehrbücher weg und nehmen Sie dieses hier gemeinsam mit ihnen durch. Eine Win-Win-Situation: Ihre Schüler werden den
Geschichteunterricht (und Geschichte) lieben und kennen, und Sie haben es im Unterricht nur mehr mit interessierten SchülerInnen zu tun!